Vereinsgeschichte
Von: Heinrich Crauel
Vivarium Bremerhaven, 1970
Ein paar Worte über den Werdegang des Vereins ,,Vivarium Bremerhaven" werden gewünscht. Zum fünfzigjährigen Bestehen. Sollten da wohl über den Werdegang des Gründers einige Sätze angebracht sein, wie er zur Aquaristik kam und bis heute noch dabei ist: Ich denke - ja!
Es war 1913 im Herbst, Bremerhavener Freimarkt. Das ist der Rummel des Jahres. Mit meiner jungen Frau spaziere ich über den Markt. Da steht eine kleine Bude mit Bretterborten. Und auf allen von oben bis unten Einmachgläser, und in jedem ein Goldfisch. Der Besitzer hält mir Ringe unter die Nase: ,,Drei Ringe 25 Pfennig, werfen Sie mal!" ,,Ach ja", sagt die Frau, ,,wirf mal!" ,,AberDeern, was sollen wir mit einem Goldfisch?" ,,Doch bitte, wirf mal!" Ich werfe absichtlich schlecht und bums sitzt der Ring über einem Glas. Glas und Fisch sind mein.
„So", sage ich, ,,nun schleppe ich den Langweiler über den ganzen Freimarkt".
Meine Mutter sah den Fisch und sagte: ,,Oben auf dem Boden, da steht noch so'n Behälter von Deinem Bruder, da setz ihn man ´rein." Das war ein Vollglasbecken und zum Glück keine der berüchtigten Glaskrausen, die damals noch benutzt wurden. Dagegen hatte schon vor Jahren der Altmeister der Aquarienkunde, Roßmäßler, gewettert. Vor diesen bauchigen Glasbehältern, in denen sich die Goldfische im Kreise bewegten und ihr Dasein fristeten mit Weißbrot und ,,Ameiseneiern". Ich kaufte noch einen hinzu und ging nun wie fast alle Anfänger den Weg über Kenntnisse im Bodengrund, Bepflanzung, Durchlüftung und was dazu gehört. Bald kam der Geschmack nach lebhafteren Fischen; was es damals so gab, Lebendgebärende und Barsche. Die großen südamerikanischen Cichliden (Buntbarsche) waren teuer und schlecht zu beschaffen. Aber als ich ein etwas größeres Gestellbecken herbeitrug, machte meine liebe Frau ein langes Gesicht. Ja, alle Schuld rächt sich auf Erden. Und als der erste Weltkrieg ausbrach, standen schon drei Becken auf Fensterbank und Kommode. Und doch, welches Entzücken in der Familie, als am Bodengrund, beschaulich ,,grasend", der erste Jungfisch entdeckt wurde!
Wir lagen in Flandern, an der Yser bei Dixmuiden. Vier Tage im Schützengraben, vier Tage Ruhe. Eine „ruhige" Stellung. Die verlassenen Dörfer im Hinterland sanken unter täglichem Beschuß dahin. Da sah ich in einem Haus einen Glassturz, wie man ihn über Uhren hat oder Heiligenfiguren. Mir kam der Gedanke - ein Aquarium! In der Baracke setzte ich ihn umgestülpt in eine Konservendose und der Fischkasten war fertig. Fische lieferte die Yser und das Überschwemmungsgebiet und bald standen sechs stolze Becken mit Oberlicht (wozu gab es einen Pionierpark?), besetzt mit je einer Art Fisch, Pflanze und Schnecke. Das ganze Bataillon pilgerte zu dieser Sehenswürdigkeit. Sie warf ein friedliches Licht in die grauen Kriegstage. Als der Sommer 1916 zu Ende ging, kam eine Gruppe Quartiermacher aus der Somme. Der Leutnant sah die Pracht, stellte sich vor als Biologe und fragte, ob ich sie mitnehmen wolle. Teils schweren, teils leichten Herzens übergab ich die Becken und wir zogen etwas still in die Sommeschlacht, die schon einige Monate tobte.
Der Krieg ging zu Ende, in der Heimat gab es wenig zu beißen. Aber die Aquarien standen noch und halfen über vieles hinweg. Der Kontakt mit zwei Fischfreunden aus der Vorkriegszeit misslang, sie waren draußen geblieben. So saßen am 20. Januar 1920 im Karlshof einige Mann beisammen. Der Karlshof stand in der ,,Bürger", zwei Häuser vor Schlachter Kuhlmann und war ein gediegenes, gemütliches Bierlokal. Ich hatte in die ,,Nordwestdeutsche" ein paar Worte gerückt: Liebhaber von Aquarien möchten sich einfinden. Ein gehässiges Wort sagt: Wo drei Deutsche zusammen sind, da gründen sie einen Verein. Wir waren sogar mit vieren. Und gründeten. Da wir in das 51. Jahr dieses Vereins steigen, seien immerhin die Namen genannt: Der Professor Grewe, Studienrat, der ZolIsekretär Rux, der Eichmeister Koch und der Optiker Crauel. Wir saßen auf einer kleinen Empore im Hintergrund, dicke Tabakschwaden stiegen zu uns herauf und nebelten uns ein. Wie soll der Verein heißen? Wichtiger Punkt! ,,Ja, ,Aquarienverein'!" ,,Nein," sagte Grewe, „wir wollen doch die Liebhaber der niederen Tierwelt nicht ausschließen, z. B. Terrarienliebhaber". - ,,Na, denn vielleicht ,Vivarium'." „Ja", sagte Grewe, ,,der Name ist gut!" Und so ist er bis heute geblieben. Tatsächlich haben wir in unseren Reihen eine ganze Anzahl Freunde gehabt, die neben dem Fischbehälter auch Terrarien pflegten mit Schlangen, Fröschen, Eidechsen oder Schildkröten. Sogar mit Riesen- oder Vogelspinnen.
Die scherzhafte Bezeichnung ,,Bückelklub" ist nie offiziell gewesen. Es wurde beschlossen, alle vierzehn Tage zusammenzukommen. Aber wo? Kleine Klubräume gab es wohl, aber sie waren wegen Kohlenmangels nicht beheizt. Professor Grewe stellte dann eine Klasse seiner Schule zur Verfügung, die ein paar Mal benutzt wurde. Dann wechselten wir auf die zentraler gelegene Schillerschule in Bremerhaven um. Nach einiger Zeit verlangte der Schuldiener für jede Sitzung pro Mann ein Brikett; das ging auch einige Zeit gut. Dann stellten die Mitglieder - es waren inzwischen mehr geworden - abwechselnd ihre Wohnung zur Verfügung. Aber es waren nur wenige da, die genügend Raum hatten. Dann erhielten wir ein Mitglied Alwin Flemming, seines Zeichens Schuhmacher. Das war ein Kerl! Er wurde später eines unserer wichtigsten Mitglieder. Ein Tierliebhaber. wie man selten einen findet. Er meinte: „Ich möchte auch mal ein Glas Bier abends trinken!" Damit kam er uns allen entgegen, aber wo sollten wir ein Zimmer finden, das beheizt war. Flemming fand eines. Es war die Wirtschaft Hohnhorst in der Schifferstraße, schräg gegenüber von der Polizei. Die Wirtin hieß allgemein ,,Tante Marie". Eine Frau mit goldenem Herzen, und sie hielt auf Formen. Als wir hinzogen und nach dem Zimmer fragten, da sah sie einen nach dem anderen an, dann nickte sie und sagte ja, sie wolle es mal versuchen. Nach dem ersten Jahr kam sie und meinte, sie habe noch von keinem den Wunsch gehört, ob wir ein weiteres Jahr beherbergt werden wollten. Da musste ich dann aufstehen und in wohlgesetzten Worten um ein weiteres Jahr bitten. Tante Marie neigte huldvollst den Kopf und winkte August. Das war ihr Faktotum. Er stand schon hinter der Tür mit einem großen Tablett voller Schnapsgläser, für jeden eines. Der Verein war schon ziemlich angewachsen und fast jeden Abend vollzählig versammelt. Wir haben uns in dieser ,,Kneipe" sehr wohl gefühlt und ich würde sie gerne wieder als Vereinslokal begrüßen, wenn sie noch da wäre. Wie so viele andere ist auch Tante Marie bei Petrus.
Die Themen unserer Tagungen waren der Entwicklung der Aquaristik entsprechend einfacher als heute. Aber Stoff war immer genug da. Zwar waren Ansätze vorhanden zu Aquarienhandlungen, aber um bessere Fische mussten wir schon mal nach Bremen oder besser nach Hamburg fahren. Wer denkt da nicht an die Ungetüme von Fischkannen, die man mitschleppte. Es musste viel Wasser sein, damit der Sauerstoff reichte; das Wasser musste warm bleiben, sonst gingen die Fische ein. So wurden die Kannen dick verpackt mit Wolle und Watte. Wie leicht haben wir es heute. Wir gehen um die Ecke zur Handlung und holen uns im Plastikbeutel, was wir brauchen. Und um Zubehör brauchen wir nicht zu schreiben: es gibt alles am Platze.
Die Beheizung der Becken - da ja meist Tropenfische gehalten werden -ist leicht gemacht durch die elektrischen Heizer. Welche Schwierigkeiten hatten wir mit der Temperatur! Wer ein Becken hatte mit Heizkegel im Boden, der war fein heraus. Drunter ein Licht oder ein kleiner Gashahn, da gab es dann Ärger mit dem Schwitzwasser. Ganz Findige löteten in die Bodenplatte ein Bleirohr, das sich sanft ansteigend von der einen Ecke der Rückseite in die andere zog. Der Gasgeruch legte die Ablüftung nahe, durch den Fensterrahmen nach draußen. Da blies dann der Wind die kleine Flamme aus und der Gestank wurde noch schlimmer. Bei ruhiger Luft ein guter Heizeffekt, je wärmer, je mehr Schwitzwasser. Manche stellten das Becken auf die Grude, ein Ausweg mit Bedenken. Dann wurde ein elektrischer Heizer konstruiert, flach in Postkartengröße, der dem Boden auflag. Er heizte gut, war aber schlecht dicht zu bekommen, der ideale Kurzschlußheizer. Bis dann die runden Elektroheizer aufkamen, die mit einem Schlag die Wärmefrage lösten.
Der Verein wurde größer, die Ansprüche stiegen. Voller Sehnsucht sprach man von einem Tümpelgelände, auf dem man in kleinen Teichen das so wertvolle lebende Futter für die Fische selbst züchten konnte. Da zeigte Alwin Flemming sein großes Können. Er tüftelte, wahrscheinlich bei politischen Gesinnungsgenossen, ein ideales Gelände aus an der jenseitigen Böschung des Bahndammes Bahnhof Geestemünde - Bahnhof Lehe. Ein Pachtvertrag mit der Bahnverwaltung kam zustande, der noch heute besteht. So wurde der Verein im Jahre 1927 Pächter einer beachtlichen Wiese, umrahmt im Westen vom Eisenbahndamm, im Osten vom Sielgraben. Nördlich und südlich lagen Schrebergärten. Im Osten war noch platte Wiese, ohne Bebauung. Aus diesem Gelände machte der Verein in wenigen Jahren ein bescheidenes kleines Paradies, mit einem Eifer und Kraftaufwand, wofür man den Mitgliedern heute noch Dank sagen muss. Leider sind die meisten schon zu ihren Vätern versammelt. So verfügt der Verein heute über einen kleinen Park, umrahmt von hohen Pappeln und Weiden, mit Futtertümpeln und Blumenbeeten, und einem gemütlichen Gartenhaus. Über die Entstehung dieser Oase des Friedens gibt ein Album Aufschluss, das über Krieg und ungute Zeitläufe hinübergerettet wurde. Das zweite Album von späteren Tagen ist leider verschollen. Das Gelände war da. Nun musste ein Häuschen her, in dem das Gartengerät verstaut werden konnte. Am Kaiserhafen stand eine Wechselstube der Deutschen Bank, die in den ersten Kriegsjahren dem Geldverkehr gedient hatte. Freund Heinz Heisterkamp, Prokurist der D.B., sei hier gedacht. Er vermittelte den Ankauf der Bude und hat außerdem bei jeder festlichen Gelegenheit, da wo nur ein Klavier stand, mit seinen musikalischen Fähigkeiten ausgeholfen, auch sonst mit Rat und Tal. Der Abtransport, das Auseinandernehmen und Wiederaufstellen waren nicht einfach und ein schönes Zeichen für die Zusammenarbeit im Verein. Aber es war das Häuschen nicht allein. Bald kam dazu die Veranda, Schauplatz großer Feste, heute leider dahingefault.
Draußen am Außendeich standen drei Badebuden, die Vereinen gehörten. Sie waren in den achtziger Jahren des vor-vorigen Jahrhunderts gebaut und da aus Holz, nicht mehr sehr stabil. Sie standen einige Meter vom Ufer ab auf hohen Pfählen, zur Flutzeit eine ideale Badegelegenheit, bei Ebbe auf Schlick. Der Stadtverwaltung waren sie ein Dorn im Auge; die beiden äußeren verschwanden bald nach dem ersten Krieg. Die mittlere war die Badebude ,,Neptun't, die längste und schönste, über sechs Meter lang. Wir erwarben sie billig und hatten sie ,,nur" noch abzutransportieren. Ja glaubt Ihr, dass auch nur ein Mann Zweifel geäußert hätte, dieses Ungetüm an Ort und Stelle zu bringen?
Eines Sonntagmorgens stand der Verein, kein Mann fehlte, mit einem großen Laster am Wasser Es erhob sich ein gewaltiges Pochen und Hämmern, leider auch ein stößiger Wind. Wie wir da das Dach abhoben, die Wände lösten und die ganze Einrichtung trotz der vom Wind gedrückten Flächen an Land brachten, das ist mir heute noch ein Rätsel Als wir erst mal vom Deich herunter waren, ging es flotter und wurde erst wieder schwierig, als die ganze hölzerne Herrlichkeit den schmalen Pfad am Sielgraben entlang bugsiert werden musste. Noch schlimmer war der Transport des Gartenhauses. der auf dem schmalen Pfad überhaupt nicht Platz hatte. Das musste man auf der Ostseite des Grabens, die gottlob noch nicht bebaut war, entlang ,,wullacken" und schließlich in zwei Teilen über den vier Meter breiten Sielgraben balancieren. Das war ein Lied vom braven Mann!
Die Badebude erbrachte soviel Holz, dass hinter dem Gartenhaus noch eine Küche errichtet werden konnte. Diese wurde ausgestattet mit einem Herd zum Kochen, der besonders Sonntags viel benutzt wurde. Auch stand da eine komplette Zapftheke für Bier, die unsere Gäste an manchem schönen Vereinstag erquickt hat. Als die Werft Tecklenborg abgewrackt wurde, erstanden wir für wenig Geld zwei lange Kantinentische und vier Bänke davor. So konnte immer der ganze Verein untergebracht werden und noch Gäste dazu. Vom hohen Flaggenmast, blauweiß gestrichen, grüßte die Herannahenden der Wimpel des V.D.A., weiß im blauen Feld, den unsere Damen gestiftet und gearbeitet hatten. Viel von diesen guten Dingen ist während des zweiten Krieges verschwunden bzw. zerfallen infolge des Alters.
Es begann nun das Ausschachten der Teiche. Das schon erwähnte Album gibt erschöpfend hierüber Auskunft. Der Boden ist reinster Klei, wahrscheinlich Ablagerungen, als die Gegend noch unter Wasser stand. Es ist ein widerspenstiger und unguter Gartenboden, der intensiver Bearbeitung und Lockerung durch Torf und Sand bedarf. Für die Tümpel ist er ideal, denn er ist absolut wasserundurchlässig. Wenn man da auf die Erde spuckt, das liegt nach Wochen noch da! Aber die gepflanzten Pappeln und Weiden gingen mächtig ins Kraut. Die Pappelstämme sind heute dicker als der dickste Mann im Verein. Der Garten hat dem Verein viel Freude gebracht, gesunde Gartenarbeit und fröhliche Stunden. Die Walpurgisnacht vom letzten April zum ersten Mai wird regelmäßig gefeiert bei einer guten Maibowle, und man glaubt nicht, wie viele Menschen in das kleine Haus passen. Ein bisschen eng ist gemütlich. Hier sei besonders eines Meisters gedacht auf dem „Ziehbeutel", Freund Karl-Heinz Schlüter, der sein wirklichgroßes Können zur Stimmungsmache zeigte.
Ein Findling von etwa 13 Zentnern ist dem Verein zugelaufen, aber nur bis an den Beginn des Pfads. Er konnte nur mit baumstarken Rollen über den schmalen Weg ins Gelände gelockt werden, klugerweise von Flemming mit einer Flasche Steinhäger, und vier Mann am Stein. Er steht heute bei den drei Birken zwischen ,,Fischteich" und „Eintagssee".
Das Ausheben der Teiche erforderte viel Fleiß und Geduld. Bald zeigte sich, dass der sture Boden am besten zu bewältigen war durch stufenweises oder treppenartiges Ausheben. Der Aushub wurde verwendet teils zu einem niedrigen Schutzdeich gegen Überschwemmungen, teils für kleine Steingärten.
Ursprünglich gehörte zum Garten noch ein Geländestück, das jenseits des Sielgrabens an den Bahndamm führte, ein Dreieck. Zu ihm führte eine nette Birkenholzbrücke. wie sie im Album auch als Brücke, die auf die Insel führt, die gekrönt wurde von einer gewaltigen Trauerweide. Beides ist auch vergangen, Brücke und Weide.
Nach dem anstrengenden Sommer 1927 wurde der Garten ein Ort der Erholung für die Mitglieder. Sonntags war es häufig wie ein Volksfest. Sommerfeste wurden durchgeführt mit Belustigungen für Kinder und Erwachsene.
Einige Sommerfeste am Abend mit Illumination waren erstaunlich begünstigt durch Windstille, auf den Steinen der Wälle standen Kerzen ohne ein Flimmern. Rowedder sorgte aber auch für elektrische Lampen in bunten Farben. Woher er den Strom nahm, das weiß niemand, er hat es nicht verraten. Rowedder ist wie so mancher der damaligen Zeit unentwegt für den Verein tätig gewesen. Wir haben soviel zu danken!
1928 war eine große Überschwemmung der ganzen Gegend, auch unser Garten. Daher die Anlage des kleinen Deiches rund um den Garten vom Aushub. Zu ersehen im Album. Aber seit der Geesteregulierung haben wir nichts mehr zu befürchten.
Der Verein gehörte damals bezirksmäßig zu Niedersachsen oder Hannover. Zweimal konnten wir das Bezirksfest des Jahres bei uns ausrichten, teils in der Strandhalle, teils im Vereinsgarten. Wir Alten sind heute noch stolz auf den ausgezeichneten Verlauf dieser Tage.
Als der zweite Krieg ausbrach, wurde es still im Verein und im Garten. Die jüngeren Mitglieder waren irgendwo in Europa, die Alten standen im heimischen Luftschutz oder bei der Technischen Nothilfe. Das Gartenhaus, so klein es war, ohne Wasser und Licht, mußte der immer größer werdenden Wohnungsnot dienen. Wir hatten Einquartierung bis einige Jahre nach dem Krieg und mußten mit vieler Mühe die Verwahrlosung beseitigen. Unser Paradies war zu einer Dreckecke geworden. Aber die Bäume waren gewachsen, die lange Zeit hatte das Äußere heranreifen lassen zu einem kompakten Gebilde, das nun unserer Arbeit und Wiederherstellung harrte. Hier haben sich verdient gemacht erst Freund Rupprecht und dann Freund James Sheldon, dem einzigen Engländer Deutscher Nation. Wer von den Mitgliedern das Gelände betritt, der tue es in Ehrfurcht vor der (freiwilligen) Arbeit, die in jedem Meter Bodens steckt.
Nach dem 2. Weltkrieg legte der Vorsitzende sein Amt in jüngere Hände. Nach kurzem Übergang übernahm Dr. Herkt die Führung. Er hat unter anderem versucht, uns über die Anatomie des Fisches wenigstens elementar zu unterrichten. Er gab uns viel Wissen von dem wir bis da keine Ahnung hatten. Auch sein Nachfolger, Oberbaurat Schmidt, verschaffte dem Verein eine Fülle von wissenschaftlichen Vorträgen, deren sich der Verein heute mit Dank erinnert. Freund Schmidt hat dem Verein durch sein großes Wissen viel genützt, wir bedauern seinen Abgang, veranlasst durch größere Ziele, außerordentlich. Später hatte den Vorsitz Freund Faber, der einen großen Verdienst hat. an der Errichtung einer Jugendgruppe. (Erstmalig bestand 1953 eine Jugendgruppe. 1969 trat das Vivarium dem Stadtjugendring bei.). In der richtigen Erkenntnis, dass der Jugend die Zukunft gehört, konnten wir auf einer Adventsfeier das hundertste Mitglied begrüßen, kommend aus der Jugendgruppe. Die Aufnahme erfolgte in feierlicher Form.
Das Wissen um Pflanzen und Tiere der engeren Heimat wurde ergänzt durch Tümpeltouren in die Umgegend. Hier führten und sprachen außer Mitgliedern auch der leider inzwischen verstorbene Rektor Mahler, dessen umfassendes Wissen besonders auf dem Gebiete der heimatlichen Flora den Mitgliedern unvergessliche Eindrücke gab.
Fahrten zu anderen Vereinen und deren Ausstellungen ergänzten das Programm des Jahres.
In die Öffentlichkeit traten wir besonders mit Ausstellungen unserer Pfleglinge. Zweimal stellten wir aus in der Turnhalle am Siegesplatz (Freigebiet). Die Turnhalle fiel dem Angriff am 18.9.44 zum Opfer. Spätere Ausstellungen fanden statt im Schützenhaus in Lehe, besonders aber im Stadtbad, von denen die letzte im Jahre 1965 als ganz besonders gelungen bezeichnet werden darf. Der Verein befindet sich auf gutem Anstieg. Ich wünsche ihm von Herzen ein weiteres Gedeihen.
Vivarium Bremerhaven, 1970
Ein paar Worte über den Werdegang des Vereins ,,Vivarium Bremerhaven" werden gewünscht. Zum fünfzigjährigen Bestehen. Sollten da wohl über den Werdegang des Gründers einige Sätze angebracht sein, wie er zur Aquaristik kam und bis heute noch dabei ist: Ich denke - ja!
Es war 1913 im Herbst, Bremerhavener Freimarkt. Das ist der Rummel des Jahres. Mit meiner jungen Frau spaziere ich über den Markt. Da steht eine kleine Bude mit Bretterborten. Und auf allen von oben bis unten Einmachgläser, und in jedem ein Goldfisch. Der Besitzer hält mir Ringe unter die Nase: ,,Drei Ringe 25 Pfennig, werfen Sie mal!" ,,Ach ja", sagt die Frau, ,,wirf mal!" ,,AberDeern, was sollen wir mit einem Goldfisch?" ,,Doch bitte, wirf mal!" Ich werfe absichtlich schlecht und bums sitzt der Ring über einem Glas. Glas und Fisch sind mein.
„So", sage ich, ,,nun schleppe ich den Langweiler über den ganzen Freimarkt".
Meine Mutter sah den Fisch und sagte: ,,Oben auf dem Boden, da steht noch so'n Behälter von Deinem Bruder, da setz ihn man ´rein." Das war ein Vollglasbecken und zum Glück keine der berüchtigten Glaskrausen, die damals noch benutzt wurden. Dagegen hatte schon vor Jahren der Altmeister der Aquarienkunde, Roßmäßler, gewettert. Vor diesen bauchigen Glasbehältern, in denen sich die Goldfische im Kreise bewegten und ihr Dasein fristeten mit Weißbrot und ,,Ameiseneiern". Ich kaufte noch einen hinzu und ging nun wie fast alle Anfänger den Weg über Kenntnisse im Bodengrund, Bepflanzung, Durchlüftung und was dazu gehört. Bald kam der Geschmack nach lebhafteren Fischen; was es damals so gab, Lebendgebärende und Barsche. Die großen südamerikanischen Cichliden (Buntbarsche) waren teuer und schlecht zu beschaffen. Aber als ich ein etwas größeres Gestellbecken herbeitrug, machte meine liebe Frau ein langes Gesicht. Ja, alle Schuld rächt sich auf Erden. Und als der erste Weltkrieg ausbrach, standen schon drei Becken auf Fensterbank und Kommode. Und doch, welches Entzücken in der Familie, als am Bodengrund, beschaulich ,,grasend", der erste Jungfisch entdeckt wurde!
Wir lagen in Flandern, an der Yser bei Dixmuiden. Vier Tage im Schützengraben, vier Tage Ruhe. Eine „ruhige" Stellung. Die verlassenen Dörfer im Hinterland sanken unter täglichem Beschuß dahin. Da sah ich in einem Haus einen Glassturz, wie man ihn über Uhren hat oder Heiligenfiguren. Mir kam der Gedanke - ein Aquarium! In der Baracke setzte ich ihn umgestülpt in eine Konservendose und der Fischkasten war fertig. Fische lieferte die Yser und das Überschwemmungsgebiet und bald standen sechs stolze Becken mit Oberlicht (wozu gab es einen Pionierpark?), besetzt mit je einer Art Fisch, Pflanze und Schnecke. Das ganze Bataillon pilgerte zu dieser Sehenswürdigkeit. Sie warf ein friedliches Licht in die grauen Kriegstage. Als der Sommer 1916 zu Ende ging, kam eine Gruppe Quartiermacher aus der Somme. Der Leutnant sah die Pracht, stellte sich vor als Biologe und fragte, ob ich sie mitnehmen wolle. Teils schweren, teils leichten Herzens übergab ich die Becken und wir zogen etwas still in die Sommeschlacht, die schon einige Monate tobte.
Der Krieg ging zu Ende, in der Heimat gab es wenig zu beißen. Aber die Aquarien standen noch und halfen über vieles hinweg. Der Kontakt mit zwei Fischfreunden aus der Vorkriegszeit misslang, sie waren draußen geblieben. So saßen am 20. Januar 1920 im Karlshof einige Mann beisammen. Der Karlshof stand in der ,,Bürger", zwei Häuser vor Schlachter Kuhlmann und war ein gediegenes, gemütliches Bierlokal. Ich hatte in die ,,Nordwestdeutsche" ein paar Worte gerückt: Liebhaber von Aquarien möchten sich einfinden. Ein gehässiges Wort sagt: Wo drei Deutsche zusammen sind, da gründen sie einen Verein. Wir waren sogar mit vieren. Und gründeten. Da wir in das 51. Jahr dieses Vereins steigen, seien immerhin die Namen genannt: Der Professor Grewe, Studienrat, der ZolIsekretär Rux, der Eichmeister Koch und der Optiker Crauel. Wir saßen auf einer kleinen Empore im Hintergrund, dicke Tabakschwaden stiegen zu uns herauf und nebelten uns ein. Wie soll der Verein heißen? Wichtiger Punkt! ,,Ja, ,Aquarienverein'!" ,,Nein," sagte Grewe, „wir wollen doch die Liebhaber der niederen Tierwelt nicht ausschließen, z. B. Terrarienliebhaber". - ,,Na, denn vielleicht ,Vivarium'." „Ja", sagte Grewe, ,,der Name ist gut!" Und so ist er bis heute geblieben. Tatsächlich haben wir in unseren Reihen eine ganze Anzahl Freunde gehabt, die neben dem Fischbehälter auch Terrarien pflegten mit Schlangen, Fröschen, Eidechsen oder Schildkröten. Sogar mit Riesen- oder Vogelspinnen.
Die scherzhafte Bezeichnung ,,Bückelklub" ist nie offiziell gewesen. Es wurde beschlossen, alle vierzehn Tage zusammenzukommen. Aber wo? Kleine Klubräume gab es wohl, aber sie waren wegen Kohlenmangels nicht beheizt. Professor Grewe stellte dann eine Klasse seiner Schule zur Verfügung, die ein paar Mal benutzt wurde. Dann wechselten wir auf die zentraler gelegene Schillerschule in Bremerhaven um. Nach einiger Zeit verlangte der Schuldiener für jede Sitzung pro Mann ein Brikett; das ging auch einige Zeit gut. Dann stellten die Mitglieder - es waren inzwischen mehr geworden - abwechselnd ihre Wohnung zur Verfügung. Aber es waren nur wenige da, die genügend Raum hatten. Dann erhielten wir ein Mitglied Alwin Flemming, seines Zeichens Schuhmacher. Das war ein Kerl! Er wurde später eines unserer wichtigsten Mitglieder. Ein Tierliebhaber. wie man selten einen findet. Er meinte: „Ich möchte auch mal ein Glas Bier abends trinken!" Damit kam er uns allen entgegen, aber wo sollten wir ein Zimmer finden, das beheizt war. Flemming fand eines. Es war die Wirtschaft Hohnhorst in der Schifferstraße, schräg gegenüber von der Polizei. Die Wirtin hieß allgemein ,,Tante Marie". Eine Frau mit goldenem Herzen, und sie hielt auf Formen. Als wir hinzogen und nach dem Zimmer fragten, da sah sie einen nach dem anderen an, dann nickte sie und sagte ja, sie wolle es mal versuchen. Nach dem ersten Jahr kam sie und meinte, sie habe noch von keinem den Wunsch gehört, ob wir ein weiteres Jahr beherbergt werden wollten. Da musste ich dann aufstehen und in wohlgesetzten Worten um ein weiteres Jahr bitten. Tante Marie neigte huldvollst den Kopf und winkte August. Das war ihr Faktotum. Er stand schon hinter der Tür mit einem großen Tablett voller Schnapsgläser, für jeden eines. Der Verein war schon ziemlich angewachsen und fast jeden Abend vollzählig versammelt. Wir haben uns in dieser ,,Kneipe" sehr wohl gefühlt und ich würde sie gerne wieder als Vereinslokal begrüßen, wenn sie noch da wäre. Wie so viele andere ist auch Tante Marie bei Petrus.
Die Themen unserer Tagungen waren der Entwicklung der Aquaristik entsprechend einfacher als heute. Aber Stoff war immer genug da. Zwar waren Ansätze vorhanden zu Aquarienhandlungen, aber um bessere Fische mussten wir schon mal nach Bremen oder besser nach Hamburg fahren. Wer denkt da nicht an die Ungetüme von Fischkannen, die man mitschleppte. Es musste viel Wasser sein, damit der Sauerstoff reichte; das Wasser musste warm bleiben, sonst gingen die Fische ein. So wurden die Kannen dick verpackt mit Wolle und Watte. Wie leicht haben wir es heute. Wir gehen um die Ecke zur Handlung und holen uns im Plastikbeutel, was wir brauchen. Und um Zubehör brauchen wir nicht zu schreiben: es gibt alles am Platze.
Die Beheizung der Becken - da ja meist Tropenfische gehalten werden -ist leicht gemacht durch die elektrischen Heizer. Welche Schwierigkeiten hatten wir mit der Temperatur! Wer ein Becken hatte mit Heizkegel im Boden, der war fein heraus. Drunter ein Licht oder ein kleiner Gashahn, da gab es dann Ärger mit dem Schwitzwasser. Ganz Findige löteten in die Bodenplatte ein Bleirohr, das sich sanft ansteigend von der einen Ecke der Rückseite in die andere zog. Der Gasgeruch legte die Ablüftung nahe, durch den Fensterrahmen nach draußen. Da blies dann der Wind die kleine Flamme aus und der Gestank wurde noch schlimmer. Bei ruhiger Luft ein guter Heizeffekt, je wärmer, je mehr Schwitzwasser. Manche stellten das Becken auf die Grude, ein Ausweg mit Bedenken. Dann wurde ein elektrischer Heizer konstruiert, flach in Postkartengröße, der dem Boden auflag. Er heizte gut, war aber schlecht dicht zu bekommen, der ideale Kurzschlußheizer. Bis dann die runden Elektroheizer aufkamen, die mit einem Schlag die Wärmefrage lösten.
Der Verein wurde größer, die Ansprüche stiegen. Voller Sehnsucht sprach man von einem Tümpelgelände, auf dem man in kleinen Teichen das so wertvolle lebende Futter für die Fische selbst züchten konnte. Da zeigte Alwin Flemming sein großes Können. Er tüftelte, wahrscheinlich bei politischen Gesinnungsgenossen, ein ideales Gelände aus an der jenseitigen Böschung des Bahndammes Bahnhof Geestemünde - Bahnhof Lehe. Ein Pachtvertrag mit der Bahnverwaltung kam zustande, der noch heute besteht. So wurde der Verein im Jahre 1927 Pächter einer beachtlichen Wiese, umrahmt im Westen vom Eisenbahndamm, im Osten vom Sielgraben. Nördlich und südlich lagen Schrebergärten. Im Osten war noch platte Wiese, ohne Bebauung. Aus diesem Gelände machte der Verein in wenigen Jahren ein bescheidenes kleines Paradies, mit einem Eifer und Kraftaufwand, wofür man den Mitgliedern heute noch Dank sagen muss. Leider sind die meisten schon zu ihren Vätern versammelt. So verfügt der Verein heute über einen kleinen Park, umrahmt von hohen Pappeln und Weiden, mit Futtertümpeln und Blumenbeeten, und einem gemütlichen Gartenhaus. Über die Entstehung dieser Oase des Friedens gibt ein Album Aufschluss, das über Krieg und ungute Zeitläufe hinübergerettet wurde. Das zweite Album von späteren Tagen ist leider verschollen. Das Gelände war da. Nun musste ein Häuschen her, in dem das Gartengerät verstaut werden konnte. Am Kaiserhafen stand eine Wechselstube der Deutschen Bank, die in den ersten Kriegsjahren dem Geldverkehr gedient hatte. Freund Heinz Heisterkamp, Prokurist der D.B., sei hier gedacht. Er vermittelte den Ankauf der Bude und hat außerdem bei jeder festlichen Gelegenheit, da wo nur ein Klavier stand, mit seinen musikalischen Fähigkeiten ausgeholfen, auch sonst mit Rat und Tal. Der Abtransport, das Auseinandernehmen und Wiederaufstellen waren nicht einfach und ein schönes Zeichen für die Zusammenarbeit im Verein. Aber es war das Häuschen nicht allein. Bald kam dazu die Veranda, Schauplatz großer Feste, heute leider dahingefault.
Draußen am Außendeich standen drei Badebuden, die Vereinen gehörten. Sie waren in den achtziger Jahren des vor-vorigen Jahrhunderts gebaut und da aus Holz, nicht mehr sehr stabil. Sie standen einige Meter vom Ufer ab auf hohen Pfählen, zur Flutzeit eine ideale Badegelegenheit, bei Ebbe auf Schlick. Der Stadtverwaltung waren sie ein Dorn im Auge; die beiden äußeren verschwanden bald nach dem ersten Krieg. Die mittlere war die Badebude ,,Neptun't, die längste und schönste, über sechs Meter lang. Wir erwarben sie billig und hatten sie ,,nur" noch abzutransportieren. Ja glaubt Ihr, dass auch nur ein Mann Zweifel geäußert hätte, dieses Ungetüm an Ort und Stelle zu bringen?
Eines Sonntagmorgens stand der Verein, kein Mann fehlte, mit einem großen Laster am Wasser Es erhob sich ein gewaltiges Pochen und Hämmern, leider auch ein stößiger Wind. Wie wir da das Dach abhoben, die Wände lösten und die ganze Einrichtung trotz der vom Wind gedrückten Flächen an Land brachten, das ist mir heute noch ein Rätsel Als wir erst mal vom Deich herunter waren, ging es flotter und wurde erst wieder schwierig, als die ganze hölzerne Herrlichkeit den schmalen Pfad am Sielgraben entlang bugsiert werden musste. Noch schlimmer war der Transport des Gartenhauses. der auf dem schmalen Pfad überhaupt nicht Platz hatte. Das musste man auf der Ostseite des Grabens, die gottlob noch nicht bebaut war, entlang ,,wullacken" und schließlich in zwei Teilen über den vier Meter breiten Sielgraben balancieren. Das war ein Lied vom braven Mann!
Die Badebude erbrachte soviel Holz, dass hinter dem Gartenhaus noch eine Küche errichtet werden konnte. Diese wurde ausgestattet mit einem Herd zum Kochen, der besonders Sonntags viel benutzt wurde. Auch stand da eine komplette Zapftheke für Bier, die unsere Gäste an manchem schönen Vereinstag erquickt hat. Als die Werft Tecklenborg abgewrackt wurde, erstanden wir für wenig Geld zwei lange Kantinentische und vier Bänke davor. So konnte immer der ganze Verein untergebracht werden und noch Gäste dazu. Vom hohen Flaggenmast, blauweiß gestrichen, grüßte die Herannahenden der Wimpel des V.D.A., weiß im blauen Feld, den unsere Damen gestiftet und gearbeitet hatten. Viel von diesen guten Dingen ist während des zweiten Krieges verschwunden bzw. zerfallen infolge des Alters.
Es begann nun das Ausschachten der Teiche. Das schon erwähnte Album gibt erschöpfend hierüber Auskunft. Der Boden ist reinster Klei, wahrscheinlich Ablagerungen, als die Gegend noch unter Wasser stand. Es ist ein widerspenstiger und unguter Gartenboden, der intensiver Bearbeitung und Lockerung durch Torf und Sand bedarf. Für die Tümpel ist er ideal, denn er ist absolut wasserundurchlässig. Wenn man da auf die Erde spuckt, das liegt nach Wochen noch da! Aber die gepflanzten Pappeln und Weiden gingen mächtig ins Kraut. Die Pappelstämme sind heute dicker als der dickste Mann im Verein. Der Garten hat dem Verein viel Freude gebracht, gesunde Gartenarbeit und fröhliche Stunden. Die Walpurgisnacht vom letzten April zum ersten Mai wird regelmäßig gefeiert bei einer guten Maibowle, und man glaubt nicht, wie viele Menschen in das kleine Haus passen. Ein bisschen eng ist gemütlich. Hier sei besonders eines Meisters gedacht auf dem „Ziehbeutel", Freund Karl-Heinz Schlüter, der sein wirklichgroßes Können zur Stimmungsmache zeigte.
Ein Findling von etwa 13 Zentnern ist dem Verein zugelaufen, aber nur bis an den Beginn des Pfads. Er konnte nur mit baumstarken Rollen über den schmalen Weg ins Gelände gelockt werden, klugerweise von Flemming mit einer Flasche Steinhäger, und vier Mann am Stein. Er steht heute bei den drei Birken zwischen ,,Fischteich" und „Eintagssee".
Das Ausheben der Teiche erforderte viel Fleiß und Geduld. Bald zeigte sich, dass der sture Boden am besten zu bewältigen war durch stufenweises oder treppenartiges Ausheben. Der Aushub wurde verwendet teils zu einem niedrigen Schutzdeich gegen Überschwemmungen, teils für kleine Steingärten.
Ursprünglich gehörte zum Garten noch ein Geländestück, das jenseits des Sielgrabens an den Bahndamm führte, ein Dreieck. Zu ihm führte eine nette Birkenholzbrücke. wie sie im Album auch als Brücke, die auf die Insel führt, die gekrönt wurde von einer gewaltigen Trauerweide. Beides ist auch vergangen, Brücke und Weide.
Nach dem anstrengenden Sommer 1927 wurde der Garten ein Ort der Erholung für die Mitglieder. Sonntags war es häufig wie ein Volksfest. Sommerfeste wurden durchgeführt mit Belustigungen für Kinder und Erwachsene.
Einige Sommerfeste am Abend mit Illumination waren erstaunlich begünstigt durch Windstille, auf den Steinen der Wälle standen Kerzen ohne ein Flimmern. Rowedder sorgte aber auch für elektrische Lampen in bunten Farben. Woher er den Strom nahm, das weiß niemand, er hat es nicht verraten. Rowedder ist wie so mancher der damaligen Zeit unentwegt für den Verein tätig gewesen. Wir haben soviel zu danken!
1928 war eine große Überschwemmung der ganzen Gegend, auch unser Garten. Daher die Anlage des kleinen Deiches rund um den Garten vom Aushub. Zu ersehen im Album. Aber seit der Geesteregulierung haben wir nichts mehr zu befürchten.
Der Verein gehörte damals bezirksmäßig zu Niedersachsen oder Hannover. Zweimal konnten wir das Bezirksfest des Jahres bei uns ausrichten, teils in der Strandhalle, teils im Vereinsgarten. Wir Alten sind heute noch stolz auf den ausgezeichneten Verlauf dieser Tage.
Als der zweite Krieg ausbrach, wurde es still im Verein und im Garten. Die jüngeren Mitglieder waren irgendwo in Europa, die Alten standen im heimischen Luftschutz oder bei der Technischen Nothilfe. Das Gartenhaus, so klein es war, ohne Wasser und Licht, mußte der immer größer werdenden Wohnungsnot dienen. Wir hatten Einquartierung bis einige Jahre nach dem Krieg und mußten mit vieler Mühe die Verwahrlosung beseitigen. Unser Paradies war zu einer Dreckecke geworden. Aber die Bäume waren gewachsen, die lange Zeit hatte das Äußere heranreifen lassen zu einem kompakten Gebilde, das nun unserer Arbeit und Wiederherstellung harrte. Hier haben sich verdient gemacht erst Freund Rupprecht und dann Freund James Sheldon, dem einzigen Engländer Deutscher Nation. Wer von den Mitgliedern das Gelände betritt, der tue es in Ehrfurcht vor der (freiwilligen) Arbeit, die in jedem Meter Bodens steckt.
Nach dem 2. Weltkrieg legte der Vorsitzende sein Amt in jüngere Hände. Nach kurzem Übergang übernahm Dr. Herkt die Führung. Er hat unter anderem versucht, uns über die Anatomie des Fisches wenigstens elementar zu unterrichten. Er gab uns viel Wissen von dem wir bis da keine Ahnung hatten. Auch sein Nachfolger, Oberbaurat Schmidt, verschaffte dem Verein eine Fülle von wissenschaftlichen Vorträgen, deren sich der Verein heute mit Dank erinnert. Freund Schmidt hat dem Verein durch sein großes Wissen viel genützt, wir bedauern seinen Abgang, veranlasst durch größere Ziele, außerordentlich. Später hatte den Vorsitz Freund Faber, der einen großen Verdienst hat. an der Errichtung einer Jugendgruppe. (Erstmalig bestand 1953 eine Jugendgruppe. 1969 trat das Vivarium dem Stadtjugendring bei.). In der richtigen Erkenntnis, dass der Jugend die Zukunft gehört, konnten wir auf einer Adventsfeier das hundertste Mitglied begrüßen, kommend aus der Jugendgruppe. Die Aufnahme erfolgte in feierlicher Form.
Das Wissen um Pflanzen und Tiere der engeren Heimat wurde ergänzt durch Tümpeltouren in die Umgegend. Hier führten und sprachen außer Mitgliedern auch der leider inzwischen verstorbene Rektor Mahler, dessen umfassendes Wissen besonders auf dem Gebiete der heimatlichen Flora den Mitgliedern unvergessliche Eindrücke gab.
Fahrten zu anderen Vereinen und deren Ausstellungen ergänzten das Programm des Jahres.
In die Öffentlichkeit traten wir besonders mit Ausstellungen unserer Pfleglinge. Zweimal stellten wir aus in der Turnhalle am Siegesplatz (Freigebiet). Die Turnhalle fiel dem Angriff am 18.9.44 zum Opfer. Spätere Ausstellungen fanden statt im Schützenhaus in Lehe, besonders aber im Stadtbad, von denen die letzte im Jahre 1965 als ganz besonders gelungen bezeichnet werden darf. Der Verein befindet sich auf gutem Anstieg. Ich wünsche ihm von Herzen ein weiteres Gedeihen.